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Das mobile Ding des Monats DEZEMBER

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Der Asylbescheid

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Im Rahmen der Fluchtforschung 2015 ist der Asylbe-scheid nicht nur einer der relevantesten Aspekte, son-dern, neben dem Handy, das am häufigsten genannte „mobile Ding“. Der Erhalt des Bescheids markiert für ge-flüchtete Menschen den Moment des eigentlichen An-kommens, der sich vom Moment des physischen Ankom-mens stark unterscheidet.

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Physisch kommen Menschen mit dem Grenzübertritt an, mit der Ankunft per Auto, Bus, Bahn oder zu Fuß. Phy-sisch kommen die Menschen dann an, wenn sie das erste Mal mit Beamt*innen sprechen, um Asyl zu beantragen und wenn ihnen Fingerabdrücke abgenommen werden.

Eigentlich kommen die Menschen aber erst dann an, wenn sie einen positiven Asylbescheid erhalten, (oder, wie in einem Fall, nach 2 negativen Asylbescheiden ein humanitäres Visum).

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Manche kommen im eigentlichen Sinn nie an: ihr Asyl-verfahren geht negativ aus. Sie versuchen zunächst, Be-schwerde einzulegen. Spätestens nach dem zweiten negativen Bescheid werden sie jedoch abgeschoben, tauchen unter, reisen weiter oder versuchen einen ande-ren Aufenthaltstitel, wie etwa einen humanitären Auf-enthalt, zu erwirken.

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Die Markierung des positiven Asylbescheids als eigent-licher Ankommensmoment wird an der damit einher-gehenden Veränderung der Praxis deutlich, die sich so-wohl, aber nicht nur, an Dinglichkeiten festmachen lässt: Beispielsweise dekorierte eine Person die Wand ihres Zimmers mit ausgedruckten Fotos, weil sie nun bleiben durfte. Eine andere Person ließ ihre Kleidung in Plastik-säcken verpackt, damit sie im Fall eines negativen Be-scheids ohne zu packen schnell weiterreisen konnte – sie würde folglich erst dann auspacken, wenn sie auch bleiben dürfte. Manche Personen beginnen erst deutsch zu lernen, wenn sie einen positiven Bescheid erhalten, um nicht umsonst eine Sprache zu lernen. Wiederum andere verlassen mit dem Bescheid ihren Unterkunftsort in einem Flüchtlingsheim oder beginnen mit dem Asylbe-scheid mit einer Ausbildung oder Lehre, gehen auf Job-suche, Wohnungssuche, nehmen Praktika an oder ver-suchen Ausbildungszertifikate zu nostrifizieren. Erst mit dem Bescheid beginnt ihr Leben am Ankunftsort wirklich.

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Barbara Stefan, Ilse Arlt Institut für Soziale Inklusions-forschung

Kontakt


Allgemeine Fragen zum Projekt:
> office@injoest.ac.at

 

Für Fragen zu den einzelnen Themenbereichen wenden Sie sich bitte an den/die jeweilige/n Sachbearbeiter/in.

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